
Vor wenigen Wochen traf sich eine Runde von Weinliebhabern in einem historischen Keller einer ehemaligen Salzburger Privatbrauerei. Jeder brachte ein ganz besonderes Geschenk mit: eine Flasche aus der legendären Grand-Cru-Lage Romanée-Conti – dem Herzstück der berühmten Domaine de la Romanée-Conti (DRC). Diese Lage, die sich im Alleinbesitz der DRC befindet (eine sogenannte Monopollage), gab der Domäne nicht nur ihren Namen, sondern steht wie keine andere für den Mythos Burgund.
Mythische Tiefe aus uraltem Meer.
Der Wein aus Romanée-Conti wurde einst von Louis François I. de Bourbon – dem Prince de Conti und Cousin Ludwigs XV. – geschätzt und bekannt gemacht. Er stammt aus der wohl besten, zumindest aber prestigeträchtigsten und teuersten Grand-Cru-Lage des Burgunds.
Im Herzen der legendären Grands Crus von Vosne-Romanée gelegen, ruht die Lage auf einem von Kalkstein geprägten Boden. Blickt man phänomenologisch auf diese Formation, so erkennt man: Anders als Granit oder Urgestein, die durch geologische Prozesse entstanden, ist dieser Boden das Ergebnis biologischer Aktivität – Ablagerungen urzeitlicher Meerestiere, die heute das Fundament jener mythischen Lebendigkeit bilden, die diesen Weinen ihre besondere Tiefe verleiht. Die Weinbereitung in dieser Region reicht über 800 Jahre zurück – auf die Mönche der Abtei von Saint-Vivant, die schon damals wussten, dass hier etwas ganz Besonderes entsteht.
Mensch, Rebe und Natur im Einklang
Hier liegt eines der großartigsten Terroirs für die notorisch kapriziöse Pinot Noir.An diesem Ort entfalten die Weine eine unvergleichliche Tiefe und strahlen – bei aller Eigenwilligkeit – eine beinahe meditative Souveränität aus. Es ist ein Zusammentreffen von kongenialen Bedingungen: eine einzigartige Natur, eine ebenso anspruchsvolle wie ausdrucksstarke Rebsorte – und Menschen, die die Kunst beherrschen, aus der Tradition nur das Beste zu bewahren und in die Zukunft zu tragen. Romanée-Conti ist – und bleibt – eine unerreichte Legende.

Ein Wein so rar wie wertvoll
Gerade einmal 1,81 ha Fläche macht die Lage aus. In sehr guten Jahren kommen 6000 Flaschen vom feinsten Wein zusammen. Kein Wunder, dass die Weine zu fantastischen Preisen gehandelt werden. In der Gourmet-Abteilung des Pariser Kaufhauses Galerie Lafayette wurde im Oktober 2008 eine 0,75-Liter-Flasche Romanée-Conti aus dem Jahrgang 2005 für 18.000 Euro angeboten. Im April 2025 wird sie am Markt mit ca. 23.000 Euro gehandelt. Das ist der Preis eines Mittelklasse Wagens – nur eben wertstabil. Die wenigen Glücklichen, die eine Zuteilung des nationalen Importeurs haben, erfahren somit theoretisch mit Auslieferung des Weins eine Wertsteigerung von mehr als 400%. Freilich nur theoretisch, werden die Weine doch nur an Wein Enthusiasten verteilt, die in Verkostungsrunden wie dieser zusammenkommen um die Weine zu genießen.
Was ist unbezahlbar?
Ist dieser Preis gerechtfertigt? Darüber kann man diskutieren – oder es einfach sein lassen. Man könnte genauso gut fragen: Warum gibt es Kunst? Warum Konzerte, Musik, Literatur? Und warum baut man nicht ausschließlich geschmacklose, „funktionale“ Häuser, die nur den Abstandsflächenverordnungen gehorchen? Warum kämpfen Menschen noch immer für echte Architektur, für Schönheit, die dem Menschen dient?
All das berührt in uns etwas Tieferes – einen inneren Glutkern. Denn es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als uns der blanke Materialismus weismachen will. Der Mensch hat eine Seele und einen Geist, die angesprochen werden wollen, um nicht zu verkümmern. Die Schönheit im Duft und Geschmack der größten Weine kann genau das leisten. Sie vermag es, selbst den Skeptiker, den Zyniker – ja, sogar den Ungläubigsten – ins Staunen zu versetzen.
Ein Wein mit Eigenleben – jenseits klassischer Bewertungen
Diese Weine sind selbst für Fachleute schwer zu bewerten. Zum einen, weil sie äußerst selten sind – man bekommt kaum die Gelegenheit, sie mehrfach zu verkosten: in unterschiedlichen Stadien, frisch aus dem Fass, direkt nach der Füllung oder nach 10, 20 oder gar 30 Jahren. Um sich ein wirklich fundiertes Urteil zu erlauben, braucht es viel Erfahrung – und selbst dann bin ich überzeugt, dass auch der versierteste Romanée-Conti-Kenner danebenliegen kann. Denn diese Weine haben ein echtes Eigenleben. Was heute vielleicht schlank und karg erscheint, kann sich über die Jahre zu einer Finesse und Duftigkeit entwickeln, die einem den Verstand raubt. Das erklärt auch die teils erheblichen Diskrepanzen in den Bewertungen: Was wir in unserer Runde mit eindeutigen 100 Punkten bewertet haben, wurde von namhaften Kritikern mit zehn Punkten weniger bedacht.
Doch daraus lässt sich kein Vorwurf ableiten. Diese Weine entziehen sich einfachen Bewertungsmustern – sie verändern sich, sie folgen keiner klaren Regel, keinem festen Schema.
Naturlangsamkeit und Zeit als Verbündeter
Diese Weine werden ganz traditionell bereitet – ohne Eile, ohne Abkürzungen. Sie brauchen Flaschenreife, um ihr volles Potenzial entfalten zu können. Sie leisten sich den Luxus, Zeit in Anspruch zu nehmen. Und das in einer Weinwelt, die erwartet, dass Weine sofort zugänglich sind. Denn wer verfügt heute noch über einen großen Keller mit idealen Reifebedingungen? Welches Restaurant kann es sich leisten, dutzende Flaschen einzulagern und geduldig abzuwarten?
Das alles mag verständlich sein – und doch liegt ein Zauber darin, zu begreifen, was Goethe mit „Naturlangsamkeit“ meinte. Es gibt Prozesse, die lassen sich nicht beschleunigen.
Wer erleben will, wie sich echte Patina bildet – und nicht bloß Zerfall –, muss sich auf das Tempo der Natur einlassen. Bei Romanée-Conti wird genau das erfahrbar.
Der Moment der Wahrheit im Glas
Nach all den Gedanken über Herkunft, Geschichte, Mythos und Reife bleibt am Ende doch das Entscheidende: der Moment, in dem der Wein ins Glas fließt. Eine kleine Gruppe von Liebhabern, ein stiller Keller, ein paar Flaschen aus einer der legendärsten Lagen der Welt – das Reich der Legenden wurde für einen Abend greifbar.
Nun also zu den Weinen selbst – und zu den Notizen, die sie hinterlassen haben. Wichtig zu wissen: Die Weine wurden nicht dekantiert, sondern lediglich rund zwei Stunden vor der Verkostung geöffnet. Serviert bei 14 °C und verkostet von jung nach gereift, zeigte sich so nicht nur das individuelle Profil jedes Jahrgangs, sondern auch der eindrucksvolle Spannungsbogen, den Romanée-Conti über Jahrzehnte hinweg zu entfalten vermag.
Was folgt, ist kein Urteil – sondern
eine Annäherung an das Unerklärliche…
2021 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 100 Punkte
Ein Jahrgang der leisen Töne, der Zeit und Luft braucht. Die sehr helle Farbe weist klar auf ein kühles Jahr hin. In der Nase zunächst zurückhaltend, mit Anklängen von Walderdbeeren, Wildkräutern und einer fast grünen Frische. Nach einiger Zeit im Glas öffnet sich der Wein mit floralen Noten und feiner Würze. Am Gaumen schlank, aber mit präziser Säurestruktur und seidig eingebundenem Tannin. Noch deutlich in der Fruchtphase, doch mit klarem Potenzial zur Reife. Ein Wein für Kenner – und für Geduldige.
2020 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 99 Punkte
Im direkten Vergleich deutlich dunkler in der Farbe – ein warmer Jahrgang mit hedonistischer Stilistik. In der Nase florale Fülle: Pfingstrosen, Wildrosen, Veilchen. Begleitet von dunklen Beeren, Mokka und einem Hauch Lakritze. Der Gaumen zeigt sich opulent, mit schmelzenden Tanninen und einem cremigen Mundgefühl. Trotz seiner Fülle bleibt die Säure präsent und sorgt für Frische und Balance. Ein kraftvoller, zugänglicher Jahrgang mit enormem Reiz.
2019 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 98 Punkte
Typisch Burgund: mittleres Granatrot, intensive dunkle Fruchtaromatik. Wildpflaumen, Schlehen, Kirsche, begleitet von feiner Würze – Lakritze, Nelken, ein Hauch Trüffel. Am Gaumen zeigt sich der Jahrgang kraftvoll, mit dichter Frucht und gleichzeitig eleganter Struktur. Ein klassischer Vertreter der Domaine – präzise, tiefgründig, lang anhaltend.
2018 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 97 Punkte
Noch verschlossen, die Nase wirkt verhalten. Dezent zeigen sich Kirsche, Cranberry und Kreide, begleitet von floralen Anklängen. Am Gaumen zupackend, mit straffer Säure, die für einen warmen Jahrgang überrascht. Die Frucht bleibt zurückhaltend, die Textur hingegen ist seidig. Aktuell in einer Verschlussphase, mit großem Entwicklungspotenzial.
2017 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 96 Punkte
Ein kühler Jahrgang, der zunächst mit grasigen Noten aufwartet. Mit Luft folgen Cassis, Walderdbeeren und Anklänge von Speck und Unterholz. Eine dezente, aber komplexe Aromatik mit Anspielungen auf Wild, Pfeffer und Leder. Am Gaumen frisch, mit feinem Holz und subtiler Süße. Kein lauter Wein, aber voller Charme und Tiefe für feine Gaumen.
2014 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 98 Punkte
Erste Reifetöne treten in den Vordergrund: florale Noten, rote Früchte, Pfingstrosen und Himbeere, eingebettet in feine Gewürze. Der Gaumen zeigt sich strukturiert, mit feinen Gerbstoffen und einer kühlen, eleganten Ausstrahlung. Der Wein ist in einer idealen Trinkphase – mit beeindruckender Länge und aromatischer Präzision.
2011 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 95 Punkte
Deutlich verhaltener als die großen Jahrgänge. Die Nase öffnet sich mit grünen Kräutern, Mokka und dezenten Fruchtaromen. Am Gaumen fein strukturiert, aber etwas eindimensional. Ein eleganter Wein, dem jedoch im direkten Vergleich mit stärkeren Jahrgängen die Tiefe fehlt. Solide, aber nicht überragend.
2009 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 100 Punkte
Ein Jahrgang der Superlative. In der Nase dicht und verführerisch: Trüffel, dunkle Kirschen, Speck, Blutorangen und Veilchen. Am Gaumen harmonisch und kraftvoll zugleich, mit straffer Säure und feinem Tannin. Vielschichtig, perfekt balanciert, lang – ein Wein von epischer Dimension.
2003 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 98 Punkte
Ein heißes Jahr, doch der Wein zeigt erstaunliche Ausgewogenheit. Reife dunkle Früchte, Bitterorange, Mokka und feine Teearomen in der Nase. Am Gaumen präsent, aber kontrolliert, mit moderater Säure und reifem Tannin. Sehr gut balanciert, mit Tiefe und langem Nachhall.
2002 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 100 Punkte
Ein Ausnahmejahrgang. Ätherisch und zart duftend nach Hagebutte, Blutorange, Darjeeling-Tee. Am Gaumen beeindruckend fein, mit lebendiger Säure und seidiger Textur. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Ein tiefgründiger, fast schwereloser Wein – von großer Eleganz und Länge.
1998 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – 92 Punkte
Ein solider Wein, der jedoch nicht ganz überzeugen konnte. In der Nase dunkle Früchte und Schokolade, doch am Gaumen fehlt die Tiefe und Ausdruckskraft. Kurz im Abgang – enttäuschend angesichts der Erwartung.
1989 Romanée-Conti, Domaine de la Romanée-Conti – keine Bewertung
Diese Flasche war fehlerhaft. Der Korken stark beschädigt, der Wein oxidiert – leider keine verwertbare Probe.
Weitere Weine die an dem Abend verkostet wurden:
2018 Montrachet / Domaine de la Romanée Conti – 100 Punkte
Wie viel Kraft und Dichte kann ein Wein am Gaumen entfalten, ohne dabei fett zu werden? Wer diese Frage beantwortet haben will, muss diesen Wein verkosten. Es ist ein Meisterwerk des Barock, des Überschwangs, des Gönnen Könnens. In der Nase zeigen sich intensive Aromen von tropischen und gelben Früchten, dazu Jod und feinste Toastnoten vom exzellenten Einsatz des Holzfasses. Am Gaumen eine punktgenau konzentrierte, sagenhafte Salzigkeit – Fleisch auf den Rippen, aber trotz aller Kraft viel Finesse. Ich wüsste nicht, wie ein Wein besser sein könnte.
2020 Corton-Charlemagne / Domaine de la Romanée Conti – 98 Punkte
Zupackend, strukturiert, mit klaren Kanten – und dabei stets kontrolliert, fast diszipliniert in seiner Ausdruckskraft. In der Nase zeigen sich intensive Noten von Salzbutter, süßen Gewürzen und feinem Toast. Dezente Vanille verbindet sich harmonisch mit reifen gelben Früchten, weißen Blüten und einer wunderbar integrierten Eichenholznote, die dem Wein Struktur und Tiefe verleiht. Am Gaumen präsentiert sich der Corton cremig, mit frischer Butter, Substanz und Eleganz – „Fleisch auf den Rippen“, aber niemals schwer. Eine präzise Meeressalzigkeit durchzieht die Textur und verleiht dem Wein Frische und Spannung.
2014 Corton-Charlemagne / Coche-Dury – 97 Punkte
Neben den beiden Giganten wirkt der Coche-Dury in diesem Flight etwas zurückhaltender. In der Nase zeigen sich fein gereifte Aromen von Nussbutter, Pistazie, weißem Nougat, Popcorn, kandierte Aprikose, gelbe Frucht – eine komplexe, vielschichtige Aromatik mit charmantem Reifeton. Am Gaumen bleibt er allerdings etwas spröde, das Mundgefühl weniger geschmeidig, der Gesamteindruck nicht ganz aus einem Guss. Auch in Länge und Tiefe wirkt er zurückhaltender. Ein guter Wein – zweifellos –, aber manchmal ist das Bessere eben der Feind des Guten.
2020 Romanée Saint-Vivant, Domaine de la Romanée Conti – 96 Punkte
Im Vergleich zu den Romanée-Contis wirkt der Romanée-Saint-Vivant etwas breiter in der Anlage, mit etwas weniger Tiefgang. Auch das Holz zeigt sich hier präsenter, vordergründiger, aber auch hier ohne wirklich zu dominieren. Die Nase verrät das reifere Jahr mit Aromen von saftiger Kirsche, dunklen Beeren, feiner Nougat, dunkle Edelschokolade und eine würzige, mokkaartige Konzentration. Die Aromatik ist reich und klar konturiert, geprägt von geschliffenen, samtigen Tanninen und einer noblen, samtigen Textur.
Ohne Zweifel top, doch im Vergleich fehlen diese ein zwei changierenden Schichten, die ein Romanée Conti hat. Auch hier gilt: Das Bessere ist der Feind des Guten.
2017 Musigny, J. F. Mugnier, 98 Punkte
Musigny in Bestform. Wie ein feines Seidentuch legt sich dieser Wein um die Sinne – alles ist miteinander verwoben, nichts steht für sich allein. Weder Frucht noch Holz spielen sich in den Vordergrund, sondern fügen sich harmonisch in ein komplexes, stimmiges Gesamtbild. Die Aromatik entfaltet sich langsam, mit Noten von Waldheidelbeeren, gereifter Wildkirsche und einem Hauch dunkler Schokolade, der über der rotfruchtigen Basis schwebt. Gereifte Kirsche trifft auf feinstes Tannin, getragen von einer frischen, präzisen Säure, die dem Wein Rückgrat, Energie und Länge verleiht. Feines Holz ist perfekt integriert, tritt aber im Finish noch zart hervor. Der Nachhall ist außergewöhnlich lang, geprägt von Nuancen von Lakritze, Nougat und edlem Kakao – ein stiller, tiefer Nachklang, der bleibt.

